World Wide Web als technische Rahmenbedingung

Unabdingbar für das Agieren im Web-Business ist das Wissen um das Potenzial der neu entstandenen technischen Möglichkeiten. Das Web bringt neue digitale Leistungen und Produkte mit sich. Es ermöglicht eine schnelle und einfache Informationsverarbeitung und hierdurch eine effizientere Kommunikation zwischen Markt und Kunden. Das ökonomische Ziel der Kostenminimierung bleibt bestehen, lediglich die dazugehörigen Rahmenbedingungen ändern sich mit dem Medium Web.

Auf jeder Entwicklungslinie verändern sich die Rahmenbedingungen der Produktion nicht nur wegen der Substitutions- und Rationalisierungseffekte. Es entstehen neue Produkte, die auf der vorherigen Ebene nicht produzierbar, ja noch nicht einmal denkbar waren. Das Maschinenzeit­alter brachte beispielsweise Treibstoffe und Schnellstraßen, Kunststoffe und medizinische Apparate, Maschi­nengewehre und Heizungssysteme. Im Kommunikationszeitalter wurden Computer und weltweiter Kapitalverkehr, Beratungsdienstleistungen und Computerspiele, Rentenversicherung und Satellitenübertragung erfunden. Welche Verbesserungen und neuen Produkte entstehen durch das Web?

Vor allem die Produkte, die ohne die Existenz des Internets nicht entstehen würden, verdienen besondere Aufmerksamkeit. Dabei handelt es sich um digitale Leistungen oder Produktneuheiten, die aus heutiger Sicht erst teilweise bekannt sind. Digitale Produkte, die von einem Rechner im Netz angeboten und verkauft werden, können ohne dieses weltweite Netz wirtschaftlich nicht existieren.

Neue Leistungsangebote

  • Bilder
  • Videos
  • Nachrichten
  • Weitere Formen von Know-how

Neue Produktangebote

  • Elektronisches Lernen
  • Marktumfragen und –studien
  • Versicherungen
  • Werbung
  • Betrieb von Clearingplattformen
  • Software-Downloads
  • Charity-Aktionen
  • Vermittlungsdienstleistungen
  • Virtuelles Geld

Hier führen wir nur einige Beispiele aus der Fülle der neuen Produkte an, die das Web möglich macht.

Die Kosten der Informationsbeschaffung sind durch das Internet als neue Infrastruktur der Kommunikation drastisch gesunken. Die betrieblichen Prozesse auf jeder Ebene müssen das Potenzial nutzen, damit das Unternehmen wettbewerbsfähig bleibt. Auf der anderen Seite ist die Informationsverbreitung ebenfalls einfacher und schneller geworden. Jede Art der Kommunika­tion zum Markt und zum Kunden wird verbessert, kostengünstiger und effizienter. Die zusätz­lichen Erträge fallen dem Unternehmer aber nicht in den Schoß. Das Wissen um die Möglich­keiten der neuen Dienste ist die Basis für jede Überlegung zur Ertragsverbesserung. Alle inner­betrieblichen Prozesse und auch die Kommunikation zum Markt, zu den Zielgruppen und zu den Kunden wenden dieses Wissen an. Der Unternehmer entscheidet nach traditionellen ökono­mischen Kriterien über den Einsatz der neuen Dienste. Das Internet offeriert keine neue Wirt­schaft, sondern neue Rahmenbedingungen, innerhalb deren das wirtschaftliche Ziel verfolgt wird. Die Zielfunktion lautet nach wie vor: Minimiere die Kosten für ein angestrebtes Ergebnis – nun aber unter der Randbedingung einer neuen Infrastruktur der Kommunikation.

Das Web-Business konzentriert sich auf Geschäftsmodelle, deren technische Infrastruktur das World Wide Web als notwendige Bedingung voraussetzt. Folglich wird dazu auch auf das Internet als die Basisvernetzung und notwendige Bedingung für das Web zugegriffen. Zu den meist­genutzten Diensten auf dem Internet gehört E-Mail, für die das WWW jedoch keine notwendige Bedingung ist, weshalb wir sie nicht dem Web-Business zugeordnen. Das Gleiche gilt für die Abfrage von Suchmaschinen.

Der Web-Handel mit Gütern ist im Gegensatz zu E-Mail und Suchmaschinen zwingend auf das Web angewiesen. Schwerpunkte des Web-Business sind demzufolge der Handel und die Dienstleistungen sowie die Unternehmen, die mithilfe des Webs ihrer Zielgruppe etwas verkaufen wollen. Im weiteren Sinne wird hierfür ein Webshop betrieben. Die unterstützten Teilprozesse im Web-Business haben die Verbreitung von Informationen zum Ziel. Das Marketing bezeichnet in diesem Kontext die Informationsverbreitung durch das Medium Internet und die Kommunikation mit Zielgruppen, wie Interessenten, Käufern oder Stammkunden.

Informationsbeschaffung, -verarbeitung, und -auswertung können in einer klassischen Produktions- oder Kostenfunktion nicht ohne Weiteres abgebildet werden können.[1] Im Web-Business nehmen diese Teilbereiche des Informationshandlings aber Einfluss auf die Produktivität einer Unternehmensstrategie. Know-how wird über die Weitergabe von Informationen vermittelt. Das Web hebt das Paradigma der Informationshoheit oder des geistigen Eigentums auf.

Das neue Medium Internet verbessert die Versorgung mit Informationen, da diese in einem enormen Umfang kostenlos zur Verfügung stehen. Die Vernetzung der Computer lässt weltweite Kommuni­kationsnetze entstehen und wachsen. Informationen sind keine knappe Ressource, sondern jederzeit verfügbar. Verschiedene Prinzipien weichen das Konzept des Eigentums an Infor­mationen und Wissen auf. Wissen wird nicht mehr ausgetauscht, sondern geteilt. Es entsteht eine Kopie des Wissens beim Empfänger, der diesen Input anreichern und durch sein Wissen erweitern kann. Ein oft zitiertes Beispiel sind Wissensplattformen, von denen Wikipedia die bekannteste ist. In diesem zielgerichteten Sinne wächst nicht nur die Information, sondern das Wissen – es wird nicht wie ein physisches Gut getauscht, wodurch der Verkäufer das Gut nicht mehr besitzt. Wissen wird wie jedes andere virtuelle Gut kopiert, und gehört somit sowhl dem Verkäufer als auch dem Käufer. Das Prinzip des geistigen Eigentums wird hierdurch ad absurdum geführt.[2]

Seit Jahrzehnten wird die Verschiebung der ökonomischen Wertschöpfung von den Produktions- zu den Dienstleistungssektoren beobachtet.[3] Dabei werden vornehmlich die bestehenden Geschäftsprozesse auf selbstständige Unternehmen ausgelagert. Mit der Beauftragung eines externen Callcenters oder dem Outsourcing der Lohnbuchhaltung entsteht kein neuer Geschäfts­prozess – die Teilleistung wird rationeller von externen Unternehmen erstellt und dort eingekauft. Die Kosten zur Abwicklung des Geschäftsprozesses (transaction costs) ersetzen die Arbeitskosten.

Der ausgelagerte Geschäftsvorfall hat eine höhere Effizienz, wenn er allein nach ökonomischen Gesichtspunkten bewertet wird. Die Kosten sind geringer bei gleichem Output, vorausgesetzt, die Qualität bleibt erhalten. Die Transaktionskosten sind jedoch schwerer zu quantifizieren als die Kosten für Einsatzstoffe oder Arbeit.
Transaktionskosten sind im Einzelnen:

  • Such- und Informationskosten, anhand derer mögliche Anbieter von Vorprodukten oder Dienstleistungen identifiziert werden. Wir müssen Preise und Lieferkonditionen miteinander vergleichen und der Eigenleistung gegenüberstellen.
  • Verhandlungs- und Entscheidungskosten, wenn wir die möglichen Partner auswählen und beauftragen. Wir arbeiten Verträge aus und erstellen Entscheidungsvorlagen, auf deren Grundlage die Leistung extern oder intern erbracht wird.
  • Überwachungs- und Durchsetzungskosten, nachdem die Leistung erbracht wurde. Die Lieferung oder Leistung müssen wir annehmen und in den betrieblichen Prozess integrieren. Dazu gehören die Kosten der Qualitätskontrolle und der Reklamation.

Diese Aufwände verbergen sich in der Kostenrechnung bei den Sach- und Personalkosten der organisatorischen Bereiche, etwa dem Einkauf, der Rechtsabteilung, der Datenverarbeitung, der Logistik oder dem Rechnungswesen. Die Erfassung ist jedoch eine vom Aufwand getrennte Aufgabenstellung. Der Transaktionsaufwand entsteht in jedem Fall, unabhängig davon, wie und wo er erfasst wird. Die Rationalisierungsvorteile des Webs schlagen sich im Transaktionsauf­wand nieder. Die Produktivität der Transaktionskosten ist mit dem neuen Medium merklich gestiegen. Die Kosten der Informationsbeschaffung sind über das Web in vielen Fällen gleich Null.

Was bedeutet das Konzept der Transaktionskosten für die Theorie und die Praxis im E-Commerce? Die klassische Ökonomie wird über die Knappheit von Gütern definiert. Rohstoffe, Arbeitskräfte, Kapital, Grundstücke, Zwischenprodukte, kurzum jedes physische Gut und jedes Gut mit ökono­mischer Bedeutung ist knapp. Eine andere notwendige Bedingung für die Gültigkeit der meisten ökonomischen Theorien ist die umfassende und sofortige Verfügbarkeit von Informationen. Viele Theorievarianten der Wirtschaftsgeschichte setzen den informierten Teilnehmer am Wirtschaftsgeschehen voraus, bis zu der Kunstfigur des bekannten homo oeconomicus, der einfache Entscheidungen rational unter Vorlage vollständiger Information fällen kann. In der praktischen Ökonomie herrschen aber komplexe Entscheidungen unter Vorlage unvollständiger Information vor. Das Idealziel wird nur zufällig erreicht.

 

[1] Die traditionelle Produktionsfunktion bildet Arbeit und Kapital ab. Gerade in der vom Internet unter­stützten Ökonomie hat aber das Kapital eine untergeordnete Bedeutung. Das Kapital als investierte Pro­duktionsmittel wird in der virtuellen Ökonomie nicht mehr genutzt, sondern in vielen Fällen als versun­kene Kosten angesehen. Die Ideen und das Wissen sind in der Ökonomie des Web-Business viel wichtiger für den Erfolg eines Geschäftsmodells.

[2] Weit überwiegend wird das Wissen oder die Information kostenlos geteilt und ein Dritter bezahlt für den Austausch zwischen den beteiligten Parteien zum Beispiel bei werbefinanzierten Webpräsenzen wie Suchmaschinen oder anderen Portalen.

[3] Die Volkswirte haben dafür den Begriff der Dienstleistungsgesellschaft oder der postindustriellen Gesellschaft geprägt.